Zur Auslegung des § 35 Abs. 1 S. 2 GBO bei einer Pflichtteilsstrafklausel – Uneinigkeit bei OLGs

Genügt ein notariell beurkundetes Testament (bzw. ein Erbvertrag) oder ist ein Erbschein im Grundbuchverfahren erforderlich? Diese Frage wird von § 35 Abs. 1 S. 2 Grundbuchordnung (GBO) beantwortet. Eine solche Verfügung von Todes wegen kann die Erbfolge für Grundbuchzwecke nachweisen, es sei denn das Grundbuchamt erachtet die Erbfolge durch diese Urkunden nicht als nachgewiesen. Anders als der Wortlaut suggeriert gibt es hier kein Ermessen, sondern eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen und Leitlinien. Ein viel besprochener Problemfall liegt vor, wenn bspw. ein Erbvertrag vorliegt („Berliner Testament“ – wechselseitige Erbeinsetzung, Schlusserbeneinsetzung der Kinder), aber in diesem eine so genannte Pflichtteilsklausel enthalten ist (wer gegen den Willen des Längstlebenden den Pflichtteil nach dem ersten Erbfall geltend macht, ist auch nach der Erbfolge des Längstlebenden ausgeschlossen). Sind dann beide Vertragsschließenden verstorben, so sind die Schlusserben grds. ordnungsgemäß ausgewiesen. Jedoch stellt sich die Frage, wie die „negative Tatsache“ (Nicht-Geltendmachung Pflichtteil) nachgewiesen werden kann. Hier gibt es zwei einander widersprechende aktuelle Entscheidungen (OLG Schleswig 16.08.2024 und OLG Frankfurt 12.09.2024). Die Uneinigkeit entzündet sich daran, ob eine eidesstattliche Versicherung verlangt werden kann. Wir sind gespannt, ob und wann der BGH dies entscheiden wird.